Auf ein Wort, Fabien Gabel!

Der designierte Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich im Gespräch über seinen Bezug zum Orchester, zu persönlichen Highlights und der Saison 2025/2026
© Lyodoh Kaneko

Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich erinnern? Was blieb Ihnen besonders in Erinnerung?

Ja, kann ich: ein ideales Programm mit Werken von einigen meiner Lieblingskomponisten – Richard Strauss, Erich Wolfgang Korngold, Ernest Bloch. Die Klangqualität des Orchesters hat mich tief beeindruckt!

Das allererste Stück, das Sie im Abonnement dirigieren, heißt «Con moto». Könnte dies ein Motto sein für Ihre erste Saison als Chefdirigent?

«Con moto» bringt auf den Punkt, was und wer ich bin als Dirigent! Ich schaue gern nach vorn, mit Neugier und Begeisterung.

Bernd Richard Deutsch gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten österreichischen Komponisten unserer Zeit. Wie definieren Sie zeitgenössische Musik?

Noch vor ein paar Jahren hatte ich eine sehr starke Meinung über die Sprachen der jeweiligen Komponistinnen und Komponisten. Aber seitdem ich mich mit verschiedenen Musikrichtungen intensiver beschäftige, haben sich meine Ansichten komplett geändert. Inzwischen kommt es mir viel mehr auf die Qualität eines Stücks an als auf die Musikrichtung, der es angehört: Ich bin sehr an neuen Klangfarben oder rhythmischer Komplexität interessiert, und experimentelle Musik bedeutet nicht zwangsläufig qualitativ hochwertige Musik. 

Mozart und Haydn sind unentbehrlich
Fabien Gabel

Welche Rolle wird in Ihren Konzertprogrammen die Wiener Klassik spielen, auch mit Musik von Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn?

Mozart und Haydn sind unentbehrlich. Sie sind die Grundlage der Orchestermusik und eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Unvorstellbar für mich, auf dieses Repertoire zu verzichten.

In welchem Maße werden Sie die für Wien und Österreich so wesentlichen symphonischen Traditionen mit Werken von Johannes Brahms, Anton Bruckner und Gustav Mahler fortsetzen?

Diese Komponisten verehre ich sehr, und natürlich werde ich ihre Musik dirigieren. Zusätzlich zu diesen Giganten möchte ich das «österreichische Spektrum» um Komponisten wie Joseph Marx, Franz Schreker und Alexander von Zemlinsky erkunden. Daraus werden viele große Werke heutzutage kaum noch oder nicht mehr gespielt.

Welche Richtungen der französischen Musik wollen Sie Ihrem Publikum besonders ans Herz legen?

Meine Vorliebe gilt dem Repertoire des 20. Jahrhunderts, vor allem fasziniert mich der Impressionismus. Claude Debussy war der einflussreichste unserer Komponisten. Aber im 19. Jahrhundert galt Orchestermusik in Frankreich als akademisch. Wahrscheinlich deshalb gab es zwar hervorragende Opernkomponisten, aber niemand schrieb hier in dieser Zeit große Symphonien – mit Ausnahme von Hector Berlioz natürlich und einigen erfolgreichen Bemühungen von Camille Saint-Saëns und César Franck in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. 

© Lyodoh Kaneko

Warum finden Sie, dass diese Musik für das österreichische Publikum interessant ist?

Wenn man sich für Impressionisten entscheidet, wählt man buchstäblich eine andere Tonsprache! Die musikalischen Formen sind kurz und enthalten eine unglaubliche Informationsfülle, die Orchestrierungen sind im Vergleich zu anderen Musikstilen etwas leichter gehalten und sehr farbig.

Das Programm Ihrer ersten Konzertsaison zeugt davon, dass es auch jenseits davon einiges zu entdecken gilt – Verbindungen zwischen Wien und Paris zum Beispiel! 

Diese Verbindungen sind zuallererst historisch: Vergessen wir nicht, dass Marie-Antoinette, unsere letzte Königin, Österreicherin und die Tochter von Kaiserin Maria Theresia war! Auch musikalisch gibt es interessante Zusammenhänge, die uns zunächst zu Mozart und Haydn führen, denn ihre Musik wurde am französischen Hof gespielt. Der aus Niederösterreich stammende Komponist Ignaz Pleyel ließ sich in Paris nieder und gründete eine bedeutende Klavierfabrik; nach ihm wurde der größte Konzertsaal von Paris benannt, die Salle Pleyel. Und Anton Reicha, der bei Haydn studiert hatte, war der wichtigste Lehrer von Berlioz, Franck und Charles Gounod am Pariser Konservatorium. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass die Wurzeln der französischen Musik nach der Französischen Revolution in der Wiener Klassik liegen. Berlioz dirigierte die Wiener Philharmoniker und lobte die Qualität des Orchesters, Jules Massenets «Werther» wurde an der Wiener Hofoper uraufgeführt. Und so ging es weiter: Dirigenten und Komponisten wie Gustav Mahler und Felix Weingartner traten in Paris auf, Debussy, Maurice Ravel und Gabriel Pierné in Wien. 

Ihr Vater war Solotrompeter an der Opéra national de Paris. Hat er in Ihnen die Liebe zu den Wiener Musiktraditionen geweckt?

Nicht wirklich, das kam erst später durch meine Neugierde. Damals waren vor allem die französischen Spieltraditionen, etwa in der Artikulation, tief verwurzelt.

In der Wiener Klassik wurzelt die französische Musik nach der Revolution
Fabien Gabel

Als Orchestermusiker saßen Sie viele Jahre selbst im Orchester, etwa im Orchestre de Paris. Was haben Sie in dieser Zeit für Ihre Dirigentenlaufbahn gelernt?

Orchestermusiker zu sein, ist sehr herausfordernd. Ich habe gelernt, in musikalischen Linien zu atmen und den Kollegen zu vertrauen.

Werden wir Sie auch als Trompeter mit solistischen Aufgaben erleben?

Nein. Nach all den Jahren ohne Üben und Spielpraxis wäre es, sagen wir, irritierend für das Publikum und das Orchester, mich spielen zu hören...

Welche bisherigen Stationen Ihrer Musikerlaufbahn haben Sie besonders geprägt?

Davon gibt´s mehrere. Ich muss zugeben, dass die Ernennung zum Chefdirigenten der Tonkünstler ein wirklich herausragendes Ereignis war! Ein weiterer unglaublicher Moment in meiner Karriere war, Georges Bizets «Carmen» an der Pariser Oper zu dirigieren – nicht nur die große Ehre an sich, sondern auch die Tatsache, vor dem Orchester zu stehen, in dem schon mein Vater und mein Großvater gespielt hatten, waren sehr emotional für mich. In dieser Produktion erlebte ich auch meinen Bruder als Geiger. Das werde ich nie vergessen!

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe als Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich besonders?

Ganz klar: Teil ihrer wunderbaren Tradition zu sein und gemeinsam neues Repertoire zu entdecken.

In welcher Weise wollen Sie das Orchester klanglich weiterentwickeln? 

Der Klang dieses Orchesters ist wahrscheinlich sein größter Vorzug! Es geht mir überhaupt nicht darum, ihn zu verändern, sondern nur um Anpassungen, wenn das Repertoire sie erfordert. Beispielsweise haben wir gemeinsam ja schon einige Werke von Ravel aufgeführt, das Orchester spielte sie mit einer unglaublichen Anmut.

Was vor allem möchten Sie dem Tonkünstler-Orchester als Chef geben?

Spannende, vielschichtige Konzertprogramme und renommierte, vielversprechende Solistinnen und Solisten, die unser Orchester und unser Publikum in jeder Saison inspirieren und anregen. Als erster französischer Chefdirigent der Tonkünstler möchte ich dabei helfen, einige Juwelen des französischen Repertoires zu entdecken oder wiederzuentdecken.

© Festspielhaus St. Pölten
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