Tanzkritik

Vom hier und dort Sein und Welten zwischen den Bergen

„MÀM”: Eine gelungene Symbiose von Tanz und Musik von Choreograf Michael Keegan-Dolan und seinem Ensemble Teaċ Daṁsa

Den Blick auf die Bühne gerichtet erkennen die Zuseher:innen irgendwo zwischen den Welten einen Widder, Rauch entsteigt seinem Kopf, seine Hände bewegen gefühlvoll eine Konzertina. Ein kleines  Mädchen, blond, regungslos, elfenhaft, liegt vor ihm auf einem Tisch. Grelle, zuckende Lichteffekte, ein schnarrend lautes Geräusch markieren den raschen Szenenwechsel. Eine Gruppe schwarz gekleideter Menschen sitzt etwas erhöht am hinteren Ende der Bühne. Ein Tribunal? „Unschuldig“ möchte man da herausschreien. Michael Keegan-Dolan schafft mit dieser Szene einen Übergang zwischen zwei Welten und lädt das Publikum bereits zu Beginn seiner Choreographie MÁM (gälisch: Bergpass) ein, das Mehrdeutige zu deuten.

Performance bis zur Ekstase

Diese düstere Szene währt nur kurz und mit rhythmischem Schnippen, auf die Beine Klatschen entlädt sich ein sitzender Line-Dance, der die Tänzer:innen der Formation Teaċ Daṁsa in einen kraftvollen Tanz voller Sprünge und Laufelemente entlässt. „Energie schafft Form“, so eine These des renommierten, zeitgenössischen Choreographen und so wird gestampft, getrampelt, gerungen, gewippt und auch ekstatisch bis an die Grenze zum Animalischen geschnauft. Das organische Ineinanderfließen von Tanz und Musik findet seinen Ausdruck im Spiel des Konzertinaspielers Cormac Begley, der in dieser pulsierenden Welt ein stabiles Zentrum darstellt und trotzdem immer auch zum Gestalter von Übergängen und Transformationen wird. Die Rollen von Akteur:in und Zuseher:in verschwimmen und spiegeln so das dynamische Wechselspiel zwischen Mensch und Natur wider. 

Panta rhei … alles im Fluss

So wie die Bewegungen der Tänzer:innen unterschiedliche Epochen und regionale Traditionen zitieren, zeigt die Musik Facetten unterschiedlicher Genres und Regionen. Dabei rückt immer wieder die irische Westküste ins Zentrum, im Speziellen das Gebiet der Kerry Gaeltacht, jener Region, der Keegan-Dolan und Begley entstammen. Dabei offenbart sich auch der einzige Schwachpunkt des Abends: Trotz der vielfältigen Inszenierungen von Bewegung, die in spannendem Kontrast zu den schlichten, historisch anmutenden Kostümen der Performer:innen stehen, zeigt sich eine gewisse Redundanz in der Verwendung von Elementen irischer Folklore. Diese wird zwar im zweiten Teil des Stücks durch das Berliner Ensemble s t a r g a z e aufgebrochen, das mit mal leichtfüßigem, mal melancholischem Jazz neue Akzente setzt – während Anlehnungen an Uma Thurman und John Travolta punktuell einen Hauch von Popkultur einfließen lassen.   

Fragen über Fragen … und eine weise Elfe

Wenn am Ende der Inszenierung grelles Licht die Bühne erhellt und große Ventilatoren, mit einem Geräusch Rotorblättern gleich, die Haare des engelhaften Kindes wehen lassen, entlässt uns der Tanz zwischen den Welten mit Wohlgefühl und offenen Fragen in den Winterabend. Ob die Elfe die Antworten kennt?

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