Tanzkritik

Tanzperformance in musikalischer Widersprüchlichkeit

Emanuel Gat schafft es, mit seiner Dance Company und dem aktuellen Werk Freedom Sonata gesellschaftliche Aspekte erlebbar zu machen.

In Freedom Sonata verhandelt der israelische Choreograf die Themen Struktur versus Freiheit. Dazu bedient er sich zweier sehr unterschiedlicher Musikstücke aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Einerseits des 2016 erschienenen Albums The Life of Pablo von Kanye West, als dem hauptsächlichen musikalischen Act. Kontrastiert wird dieses Rap-Album, in der zweiten von insgesamt drei Szenen-Blöcken, mit Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 32 in c-Moll, op.111.  Diese musikalische Wahl regt den Betrachter zu kontroversen Überlegungen an. Insbesondere auch deshalb, da Kanye West als sehr widersprüchlicher Musiker gilt, der immer wieder rassistische und antisemitische Aussagen tätigte. 

Das Spannungsfeld von Freiheit und Struktur bestimmt nicht nur in der Musikauswahl den Fokus, sondern auch im ausdrucksstarken Tanz der zehn Tänzer:innen, die dazu auch mit Leichtigkeit und Freude einen Dialog mit dem Publikum eingehen. Etwa treten in einer Sequenz einzelne Tänzer:innen, wohl als starker Ausdruck ihrer Individualität, an die Rampe. Humorvoll präsentieren sie sich, unter Einbeziehung des Publikums, als der oder die „Beste, Schönste und Größte“. Dem Publikum bleibt nichts anderes übrig, als der Show zu applaudieren. In der Gemeinschaft hingegen, bei Gruppenszenen, tritt die Mehrheit zugunsten einer Führungsperson in den Hintergrund. Der Choreograf verhandelt in seinen Szenen gruppendynamische Prozesse, die immer wieder das Spannungsfeld zwischen einer Gruppe und Individuen ausloten. Im Tanz zeigt sich ein Ausbrechen aus fixierten Rollen in der Gruppe zuweilen in akrobatischen Einlagen einzelner Tänzer:innen. Ganz gemeinschaftlich agiert die Gruppe, wenn auf der Bühne, als Teil der Choreografie, durch die Tänzer:innen ein weißer Tanzboden ausgerollt wird. Insgesamt werden, über verschiedene Szenen des Stücks, neun weiße Bahnen von den Tänzer:innen auf die Bühne gebracht und mit Klebeband befestigt. Bis am Ende des Stücks, der zu Beginn schwarze Bühnenboden, komplett mit weißem Tanzboden belegt ist. 

Freedom Sonata ist eine Choreografie, die keine Geschichte erzählt. Das Geschehen auf der Bühne lässt die Beziehungen zwischen Menschen und ihre Interaktionen miteinander sichtbar werden, das ist die Stärke des Stückes. Im dritten Teil der Performance wechseln die Tänzer:innen ihre zuerst weiße Kleidung Stück für Stück auf schwarze Kostümteile, sodass sich mit dem nun gänzlich weißen Bühnengrund und der Beleuchtung eine scherenschnittartige Szenerie ergibt. So ändert sich auch die formale Struktur des Stücks und damit wird auch die musikalische Gegenüberstellung des Rap-Albums von Kanye West und der Klaviersonate von Beethoven erklärbar. Die Sonate Nr. 32 gilt als jene, in welcher Beethoven die klassische Sonaten-Form auflöst. Insgesamt ist es ein Tanzabend, der mit Witz und Ironie das Ringen zwischen Individuum und Gruppe zeigt. Ebenso die Suche nach Freiheit, innerhalb einer vorgegebenen Struktur einer Gemeinschaft. 

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