Tanzkritik

Ennio Marionette

Darf ein Nicht-Tänzer Choreograf werden? Man sieht Marcos Moraus „Notte Morricone“ und sagt: Ja! Ein Abend im St. Pöltner Festspielhaus mit vielen gelungenen Facetten.

Vielleicht ist es ja so, dass ein Choreograf ohne eigene Tanzerfahrung seinen Tänzer:innen mehr Freiheit, mehr Mitspracherecht einräumen muss. Wenn das so ist, dann hat das CCN / Aterballetto aus der Emilia-Romagna diese Gelegenheit perfekt genutzt. 16 Tänzerinnen und Tänzer tragen für 90 kurzweilige Minuten das gesamte Bühnengeschehen. Sie pantomimen fließend synchron wie ein Fischschwarm, sie imitieren Marionetten hart an der Grenze zu Akrobatik und Hip-Hop und sie sind 16 Mal Ennio Morricone – mal alt, mal jung, aber immer in der typischen Arbeitskleidung der Kreativen der 40er-Jahre: graue Bundfaltenhose, weißes, hochgekrempeltes Hemd, Hosenträger und Hornbrille. Dazu sind sie Bühnenarbeiter:innen, Beleuchter:innen, Marionettenspieler:innen und vieles mehr. Unmöglich, den einen oder anderen herauszugreifen und lobend über die anderen zu stellen – diese Truppe ist ein Team aus 16 Talenten. 

Dann machen sie also den Abend aus? Auch.

Wie gesagt, es geht um Ennio Morricone, den wohl größten Filmkomponisten des 20. Jahrhunderts. Es geht um seine Musik, aber es geht auch um sein Leben. Der 2020 verstorbene spricht zu uns in alten Tonaufnahmen; es geht um Schach, um Regisseure, um Schauspieler, um die Liebe natürlich und um das Leben überhaupt. Er hat uns auch heute noch etwas zu sagen (Gott sei Dank mit deutschen Übertiteln), und die Person hinter dem Maestro wird sichtbar, wird erlebbar. 

Also macht Morricone diesen Abend aus? Auch.

Morricones Musik kommt an diesem Abend nicht von der Festplatte, jedenfalls nicht ausschließlich. Das Tonkünstler Orchester NÖ läuft zu einer bisher nicht gehörten Höchstform auf. Dirigiert wird es nicht vom bald scheidenden Yutaka Sado, sondern von Maurizio Billi, der selbst noch mit Morricone gearbeitet hat. Die klangliche Qualität, die er mit diesem Orchester und zwei Solist:innen erzielt, ist großartig, und die Sopranistin Federica Caseti Balucani verdient für ihr Jill McBain-Thema aus Spiel mir das Lied vom Tod eine besondere Erwähnung. 

Machen also die Musikerinnen und Musiker diesen Abend aus? Auch.

Womit wir wieder beim Spanier Marcos Morau wären, der hier mehr geschaffen hat als ein „Tanzstück“. Wir sitzen und staunen über den Einfallsreichtum an Bildern, Orten, Klängen, Bewegungen und Ideen, die die Künstler:innen vor uns ausbreiten. Mal nachdenklich, mal albern, manchmal vielleicht auch auf der anderen Seite der Grenze zum Kitsch – aber immer unterhaltsam und perfekt dargeboten. Natürlich hat er die Rückendeckung der vielen ikonischen Melodien, die Ennio Morricone im Laufe seines Lebens geschaffen hat, man denke nur an Zwei glorreiche Halunken oder Cinema Paradiso. Aber das hätte, gerade aufgrund der Größe der Werke, in den falschen Händen auch komplett schief gehen können. Morau hatte das richtige Händchen dafür. 

Dann ist es letztlich also Marcos Morau, der diesen Abend so besonders macht? 

Auch.

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