Eine Nacht mit Maestro Morricone
Wenn die Melodien des italienischen Genies auf die spanische Choreografie in St. Pölten treffen, verschmelzen Tanz und Musik, Fantasie und Realität zu einer faszinierenden Einheit.Ennio Morricone, einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, hat mit seinen unvergesslichen Melodien Generationen geprägt. In der Tanzaufführung Notte Morricone ehrt der spanische Choreograf Marcos Morau das Schaffen des Maestros. Die Performance, aufgeführt von der renommierten Tanzcompagnie CCN/Aterballetto, entführt das Publikum in eine Nacht aus dem Leben des Komponisten. Musikalisch prominent begleitet wird das 16-köpfige Team vom Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung von Maurizio Billi, in eine Nacht, in der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie, zwischen Musik, Tanz, Theater und Film verschwimmen. Ergänzt durch elektronische Sounddesign-Elemente von den Berliner DJs Alex Röser Vatiché und Ben Meerwein, entsteht eine klangliche und tänzerische Verschmelzung von Morricones Musik und der zeitgenössischen Tanzsprache, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet.
Eine graue Wand mit Skizzen und Noten dient als Ausgangspunkt, von dem sich die Bühne in vielfältige Räume verwandelt – vom Komponistenhaus, über ein Aufnahmestudio bis hin zu einem Kinosaal. Elemente wie riesige Scheinwerfer und Notenblätter, aber auch Handpuppen, mit Morricones Gesichtszügen, sind nicht nur Requisiten, sondern aktive Mitwirkende in dieser ungewöhnlichen Inszenierung. Ebenso wird der Maestro Morricone selbst durch seine eigene Stimme lebendig, die den Zuschauern Einblicke in sein Leben, seine Erfolge und persönlichen Geschichten gewährt.
Marcos Morau übersetzt das vielfältige musikalische Erbe von Ennio Morricone in eine eigenständige Tanzsprache, was sowohl ambitioniert als auch herausfordernd ist. Die 16 Tänzer:innen, gekleidet in graue Bundfaltenhosen, Hosenträger und hochgekrempelte Hemden, die an den Stil der 1920-er Jahre erinnern, agieren teils als Verkörperung des Komponisten, teils als Zuschauer oder Figuren seiner Filmwelt. Ihre Bewegungen, von fließend und harmonisch bis dissonant und kantig, reflektieren die Vielseitigkeit von Morricones Werk. Doch genau hier zeigt sich eine Schwäche: Die Tanzbewegungen stehen oft im Kontrast zur Musik, was den harmonischen Fluss der Aufführung beeinträchtigt. Gleichzeitig fehlt eine klare narrative Struktur, die den Zuschauer tiefer in die Geschichte hineinzieht. Die Vielzahl an Ideen und Stilen schafft zwar beeindruckende visuelle und akustische Momente, jedoch fehlt oft die Harmonie, die Morricones Musik so meisterhaft ausstrahlt.
Notte Morricone hinterlässt gemischte Gefühle. Einerseits ist es ein faszinierendes Experiment an der Grenze zwischen verschiedenen Kunstformen, das das Leben und Werk eines außergewöhnlichen Künstlers in die Sprache des zeitgenössischen Tanzes übersetzt. Andererseits wird die Aufführung an manchen Stellen zu einer Herausforderung, da die vielen stilistischen Elemente und die komplexe Verschmelzung von Tanz, Theater und Film den Zuschauern fordern. Nichtsdestotrotz ist es Marcus Morau gelungen, einen Raum zu schaffen, der Erinnerungen an den Maestro lebendig hält.