Tanzkritik

Eine Geschichte zwischen Traum und Ritual

Michael Keegan-Dolan entführt uns mit „MÁM“ in eine hypnotische Odyssee, in der Traum auf Mythos trifft.

Der Abend beginnt mit einem eindrucksvollen Bild: ein junges, weiß gekleidetes Mädchen, das an der Spitze eines Bergpasses schläft, der durch eine aufsteigende Struktur dargestellt wird: zuerst ein Tisch, später eine Pyramide aus Stühlen und schließlich ein zerbrechliches Podest. Die Nacht um sie herum scheint eiskalt zu sein, aber ihr Erwachen markiert den Beginn einer Reise, die sowohl innerlich als auch fantastisch ist. 

Als das kleine Mädchen die Augen öffnet, scheint sie nach wie vor zu träumen. Sie steht einem rätselhaften Wesen in einer Mufflonmaske gegenüber. In einer sowohl intimen als auch theatralischen Geste nimmt es seine Maske ab, gibt den Blick auf sein menschliches Antlitz frei und beginnt, auf der Konzertina zu spielen. Der Klang des kleinen Akkordeons wird dann zum roten Faden einer fragmentierten Geschichte, zu einem Klang- und Bildteppich, der ein ganzes Volk mit seltsamen Charakteren heraufbeschwört.

Diese Figuren, die auf halbem Weg zwischen keltischen und nordischen Märchen liegen, erinnern an Korrigans oder Trolle. Als sie ankommen, maskiert, auf einer Stuhlreihe sitzend, regungslos, geben sie sich plötzlich zu erkennen und beginnen dann mit einer Energie zu tanzen, die manchmal festlich, manchmal beschwörend ist und sowohl Volkstraditionen als auch die Gegenwart heraufbeschwört. Ihre Bewegungen oszillieren zwischen hypnotischen Rhythmen und Ausbrüchen primitiver Trancen, unterbrochen von Schreien und aufgeladener Stille. Die Choreografie, durchdrungen von roher Körperlichkeit, unterbrochen von fallenden Vorhängen, inszeniert eine Spannung zwischen Anziehung und Schrecken und fängt die Ambivalenz legendärer Geschichten ein.

Das kleine Mädchen scheint von dem Geschehen verzaubert zu sein. Sie fügt sich unauffällig in das Ritual, um sich einen Platz in diesem geheimnisvollen Kreis zu schaffen. Die letzte, fast initiierende Geste evoziert einen unumkehrbaren Übergang: Das kleine Mädchen ist nicht mehr nur Zuschauerin ihres Traums, sondern ein Rädchen in dieser fremden Welt.

Keegan-Dolan gelingt es in MÁM, uns in ein Universum zu versetzen, in dem das Reale und das Übernatürliche ineinandergreifen. Die Choreografie, die sowohl raffiniert als auch mit tiefer Symbolik aufgeladen ist, bietet ein sinnliches Erlebnis, das über Worte hinausgeht. Die (Live-)Musik, ähnlich einem Seil, verbindet diese Reise an der Grenze zwischen Tanz, Theater und Ritual und lädt uns dazu ein, unsere kindliche, zutiefst menschliche Vorstellungskraft wiederzuentdecken.

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